Ehrenamt in Liechtenstein und der EU
Eine Gesellschaft ohne Ehrenamtliche wäre eine traurige soziale Gemeinschaft. Es sind selbstlose Menschen, die unterschiedliche Aufgaben unentgeltlich zum Wohle anderer übernehmen. Durch sie ist unsere Vielfalt an sozialen, kulturellen, politischen, religiösen und anderen Angeboten erst möglich. Wie die Studie „Sozialkapital und Wohlbefinden in Liechtenstein“ zeigt, sind
- 36% der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner ehrenamtlich tätig. Das sind fast 13.000 Menschen.
- Von den jungen Leuten bis 24 Jahre sind sogar über die Hälfte (56%) in der Freiwilligenarbeit engagiert.
- Das Fürstentum hat 500 Vereine mit 15.000 aktiven Mitgliedern.
Petra Brändle von Anthropogogik Brändle ist Koordinatorin des Projektes 45plus.li, das von der AIBA 2010/2011 im Bereich Grundtvig ausgeschrieben, bewilligt und unterstützt wurde und vertrat vom 23. bis 26. November 2011 Liechtensteins Interessen bei der Grundtvig EU – Konferenz „Adult Volunteering“ in Warschau.
Seit 1995 beteiligt sich Liechtenstein als Mitgliedstaat des EWR an den Europäischen Bildungsprogrammen. Im Übergang zur dritten EU Programmgeneration wurde in Liechtenstein mit der Agentur für Internationale Bildungsangelegenheiten (AIBA) eine zentrale Anlaufstelle für alle Aktivitäten des europäischen Programms „Lebenslanges Lernen 2007 – 2013“ geschaffen. Am 27. Juni 2007 trat das Gesetz AIBAG in Kraft, in welchem die Konstituierung der AIBA als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts geregelt ist. Die AIBA betreut als Nationalagentur für Liechtenstein das Bildungsprogramm der EU Kommission “Programm für Lebenslanges Lernen”. Zudem betreut und plant die AIBA auch andere regionale und internationale Projekte im Bildungsbereich. So liegen auch die internationalen Berufswettbewerbe „worldskills“ im Verantwortungsbereich der AIBA. http://www.aiba.llv.li/
Die Europäische Kommission unterstützt im Resort Bildung und Kultur das Lebenslange Lernen durch die politische Zusammenarbeit der verschiedenen Staaten, durch viele Programme und die Verbreitung und Verwertung von Ergebnissen. Das Thema der Konferenz stand ganz im Zeichen der Ehrenamtlichkeit von Menschen ab 50. Es ging hauptsächlich darum, die Ehrenamtlichkeit als Lernmöglichkeit für die Teilnehmenden und deren Gastorganisationen zu sehen und inwiefern die EU dabei unterstützen kann. Es trafen sich Expertinnen und Experten aus 32 Ländern. Projektleiter/innen von Senior Volunteering Projects, Grundtvig Learning Partnerships, Mobility Actions und nationalen Grundtvig Projekten der Erwachsenenbildung mit Repräsentanten der Europäischen Kommission und Grundtvig Nationalagenturen. Das europäische Gericht hat die Freiwilligenarbeit als wertvoll bezeichnet, aber unterstrichen, dass sie nicht als Ersatz für bezahlte Tätigkeiten gedacht sein darf. Sie soll keine Arbeitsplätze „stehlen“. Deshalb soll die Freiwilligenarbeit unter anderem durch Projekte unterstützt werden, aber nur in Bereichen, in denen sie keine bezahlten Arbeitsplätze ersetzen.
Im Folgenden kommen ein paar kurze Informationen über die dreitägige Veranstaltung, die aus Vorträgen, Workshops und Marktplätzen zusammengesetzt war. Am 1. Tag richteten die Teilnehmenden von jedem Land einen Marktplatz mit Informationen über ihre schon laufenden Projekte, Delikatessen aus der Heimat und neuen Projektideen ein. Dadurch gab es die Möglichkeit sich kennen zu lernen, Ideen auszutauschen, Gleichgesinnte zu treffen und etwas über die Heimat der anderen kennen zu lernen. Viele waren an Liechtenstein und unseren Delikatessen interessiert und nahmen die Werbebroschüren, die ich von der AIBA mitbekommen hatte und verteilte, mit nach Hause. Am 2. Tag wechselten sich Fachvorträge und Workshops miteinander ab. Es ging darum, wie ältere Menschen als Ehrenamtliche gefunden, ausgebildet und bei ihrer freiwilligen unbezahlten Arbeit fachlich, persönlich und bei besonderen Projekten auch finanziell unterstützt werden können. Am Vormittag des 3. Tages wurden neue Projektideen vorgestellt, besprochen und mögliche Partner dafür gesucht und am Nachmittag stand eine Stadtbesichtigung auf dem Plan. Am Vormittag des 4. Tages konnten die Teilnehmenden mit potentiellen Partner ihr zukünftiges Projekt und dessen Inhalte besprechen und danach reiste ein/r nach der/dem anderen ab.
Alan Smith (Grundtvig Koordinator von der Europäischen Kommission) bemängelte in seinem Vortrag, dass die Rahmenbedingungen für die Freiwilligenarbeit in den meisten Ländern nicht geregelt werden. Deshalb soll das Jahr 2012 speziell für die Ehrenamtlichkeit bessere Bedingungen und somit mehr an dieser wertvollen Arbeit bringen. Grundtvig hat einen hohen sozialen Fokus und sieht nicht nur formales, sondern auch informelles Lernen und unterstützt etliche Organisationen mit Ehrenamtlichen. Er teilte mit, dass ab 2014 ein neues Förderungssystem der EU gilt: „Erasmus for all“, das alle bisher getrennten Alters- und Berufsgruppen vertreten in Grundtvig, Erasmus, Leonardo und Comenius zusammenfasst.
Key action 1:Learning mobility of individuals Alle lernenden und lehrenden Menschen werden dabei unterstützt, wenn sie sich im europäischen Ausland weiterbilden wollen | Key action 2:Co-operation for innovation and good practices – Strategische Partnerschaften zwischen Bildungsinstitutionen- Wissenspartnerschaften von Universitäten, Ausbildungsstätten und Firmen– ‘Sector Skills Alliances’ – Lernplattformen und e Twinning- Aufbau von Kapazitäten in Drittländern mit besonderem Fokus von Nachbarländern | Key action 3:Support for policy reform -Transparenz und Unterstützung bei Austauschprogrammen, politischen Veränderungen- Gespräche innerhalb der EU über unterschiedliche Modelle |
Geraldine Libreau (Europäische Kommission, Abteilung Erwachsenenbildung) stellte positive Beispiele von Grundtvig Projekten vor und unterstützte die Forderung nach einer Ausbildung für Freiwillige, um deren Erwartungen zu klären, sie auszubilden und ihnen nötige Vorinformationen zu geben – auf was lasse ich mich ein – z. B. im Ausland als Entwicklungshelfer oder im sozialen Jahr. Grundtvig unterstützt in der Ausbildung / Training und beim Volunteer Exchange. Wichtig bei der Freiwilligenarbeit ist das publik machen, rekrutieren, motivieren und bedanken.
Ich bin der AIBA und der Europäischen Kommission dankbar für das Vertrauen, das sie in mich gesetzt haben und ich konnte auf dieser Konferenz viele interessante Meinungen hören, andere Projekte kennen lernen, anregende Fachgespräche führen, Ideen und Wissen austauschen. „Sharing good ideas /examples.“
Auch bei uns ist sich die Regierung der Wichtigkeit von ehrenamtlicher Arbeit bewusst. Am 5. Dezember wird in Liechtenstein alljährlich der Tag des Ehrenamtes gefeiert und besonders engagierte Menschen ausgezeichnet. Die Stellungnahme von Regierungschef Dr. Klaus Tschütscher zum Thema zeigt seinen Respekt vor der Freiwilligenarbeit. Er nennt sie auf der Internetseite der Regierung wortwörtlich einen „Schatz“ und eine Bereicherung und weist auf die Wichtigkeit der politischen Unterstützung hin.
Wo liegt die entsprechende Verantwortung des Staates?
Klaus Tschütscher: Er hat eine Verantwortung und es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Staat und Ehrenamt. Breit angelegte Untersuchungen, unter anderem in Grossbritannien, Schweden, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, den USA und Japan haben Folgendes gezeigt: Zieht sich ein Staat aus seiner sozialen Verantwortung spürbar zurück, wie dies etwa in den USA oder Deutschland zu beobachten ist, sinkt die Bereitschaft klar, sich ehrenamtlich zu betätigen. Das heisst, Staat und Gesellschaft geben dann eine Win-Win-Situation auf. Sie wieder herzustellen ist sehr schwierig. Die Regierung kann Mitmenschlichkeit, Kreativität und Eigenverantwortung nicht ersetzen. Das können nur die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner leisten. Alle Freiwilligen in Liechtenstein sind deshalb grosse Vorbilder. Unsere Einwohner machen das Fürstentum mit ihrem persönlichen Einsatz zu einem lebenswerten und lebendigen Land.
Wie will Ihre Regierung die Verantwortung wahrnehmen?
Klaus Tschütscher: Wir haben ein ressortübergreifendes Projekt „ehrenamtlich engagiert“ gestaltet und möchten die Ressourcen innerhalb des Fürstentums in den kommenden drei Jahren in optimaler Weise erschliessen. Alle Regierungsprojekte, Vorhaben und Aktivitäten zur Initiative „ehrenamtlich engagiert“ sollen ressortübergreifend koordiniert und gemeinsam nach aussen präsentiert werden. Ehrenamtliches Engagement ist nicht nur unbezahlt, sondern es ist für den Zusammenhalt unserer eigenen Gesellschaft auch unbezahlbar. Das gilt es zu würdigen und mit viel Fingerspitzengefühl zielgerichtet zu fördern. Durch die Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen soll die Freiwilligenarbeit in Liechtenstein gezielt unterstützt werden. Freiwilligenarbeit ist nicht nur wichtig für eine funktionierende Gesellschaft, sondern auch für den Staat. Nur eine Gesellschaft, die gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft annimmt, kann langfristig orientierte nachhaltige Lösungen für Liechtenstein anbieten.
(Quelle: http://www.regierung.li/index.php?id=83 am 05.01.2012)
In dem Sinne wünsche ich, Petra Brändle, allen Ehrenamtlichen viel Freude bei ihrer Arbeit und hoffe, dass sich noch viele für diese sinngebenden und erfüllenden Tätigkeiten melden.